Samstag, 9. Juni 2012

Erste Tage in Quito

Ich konnte auf dem Weg von Madrid nach Guayaqil tatsächlich etwas schlafen, erwischte den Anschlussflug nach Quito und wurde dort von meinem Projektpartner abgeholt, der mich zu meinem Hotel brachte. Darüber war ich froh. Überall lungerten zwielichte Gestalten herum die mich für meinen Geschmack etwas ZU interessiert durch die Autoscheiben musterten - die ganze Stadt strahlte irgendwie etwas Bedrohliches aus. Das lag nicht nur daran, dass es Nacht war, sondern auch an all den Geschichten von Raubüberfällen und Gewalt die ich über Quito gehört habe. Es wird in der Regel empfohlen nie allein unterwegs zu sein, lieber in der Nähe der Unterkunft zu bleiben, niemandem zu vertrauen und stehts die Augen offen zu halten. Viele stufen mich für etwas zu sorglos und vertrauensselig ein, aber ich versichere euch, dass ich hier gut aufpassen und mich an alle Ratschläge halten werde. Ich sehe zwar gerne das Gute in allem aber inzwischen bin ich auch etwas vorsichtiger geworden

Im Hotel bezog ich gegen ein Uhr nachts endlich mein Zimmer. Zwei Tage und fast zwei Nächte war ich unterwegs gewesen und konnte sehr gut schlafen. Am nächsten Morgen wachte ich von alleine gegen halb acht auf und fühlte mich frisch und munter. Keine Spur von Jetlag. Durch die Vorhänge erhaschte ich einen Blick auf den Hof um den herum die Zimmer verteilt sind. Er lag dunkel und kühl da, aber als mein Blick nach oben wanderte, da blickte mir ein tiefblauer Himmel entgegen und die Sonne beschien bereits die Dächer.
Erst jetzt erkannte ich wie hübsch die ganze Anlage war. Und auf einem ersten kurzen Spaziergang (nur um den Block) stellte ich fest, dass die Anden fast zum Greifen nah waren und sich majestätisch über mich erhoben. Sie ragten steil in die Höhe, waren jedoch an der Spitze abgerundet und über und über mit weichem grünen Gras bedeckt, das wunderschön von der Sonne angeschienen wurde.

Außer mir gibt es noch vier andere Gäste. Eine Frau und drei Männer aus Amerika, die mir beim Frühstück ein paar gute Ratschläge gaben und mich netterweise zur Bank begleiteten und in der Nähe blieben, während ich etwas Geld abhob. Ihr seht - ich bin WIRKLICH vorsichtig. :) Kein Grund zur Sorge.
In meinem Badezimmer hausen übrigens zwei kleine Kakerlaken - nicht größer als unsere Kellerasseln. Sie wohnen in der Dusche ziehen sich aber vornehm in ihr Loch zurück, wenn ich sie benutze.  Ich werde ihnen Namen geben.
Morgen Abend werde ich allerdings schon abgeholt und zu meiner Gastfamilie gebracht, bei der ich während des Spanischkurses wohne. Falls sich zuvor noch etwas Schreibenswertes ereignet, melde ich mich nochmal.

P.S.: Ich hoffe ihr würdigt diese Einträge - während ich sie schrieb war draußen herrlichster Sonnenschein aber ich habe mich zusammengerissen und mich trotzdem dahintergeklemmt... und jetzt wo ich fertig bin, regnet es!

Ergänzung:
An meinem ersten Tag bin ich glücklicherweise doch noch mal rausgekommen. Keath, Marilyn, Bob und Ricky, die Amerikaner, haben mich zum Abendessen in einen Pizza Hut eingeladen. Sie sind übrigens als Missionare im Jungel im Süden Ecuadors tätig und auch wenn ich nicht so viel von der Verbreitung des christlichen Glaubens halte, so klangen die Projekte für die sie tätig sind ganz vernünftig. Sie gründen auf Hilfe zur Selbsthilfe wie zum Beispiel die selbstständige Trinkwasseraufbereitung oder Landwirtschaft. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln ist dort nämlich mehr als kärglich und die dort ansässigen Einwohner leben von nur drei verschiedenen Früchten, darunter Bananen und Papaya. (Das dritte war irgendeine komische Beere, glaub ich).
Nach dem Abendessen trafen wir beim Bummeln durch eine Mall zufällig unseren Hotelbesitzer, der gerade mit seiner Familie aus dem Kino kam und uns "Madagaskar 3" sehr ans Herz legte. Leider mussten Marilyn und Bob am nächsten Tag früh raus, weil sie mit den in Quito erworbenen Lebensmitteln zur Station zurückfuhren. Keath und Ricky würden noch einige Tage bleiben um die 17 Voluntäre in Empfang nehmen, die dort für eine Woche arbeiten würden.
Während wir auf den Beginn der Vorstellung warteten, half mir die beiden, ein ecuadortaugliches Mobiltelefon zu erwerben. Für 45 Dollar bin ich nun stolze Besitzerin eines solchen und wer die Nummer möchte, kann mich einfach ansprechen. Ich habe es vor allem erworben, um hier meine Projekte besser regeln zu können oder meine Gastfamilien anzurufen, wenn irgendwas sein sollte.
Der Film war übringens wirklich sehr witzig - kann ich auch nur weiterempfehlen. :)

Am Sonntagvormittag wurde ich bereits abgeholt und zu meiner Gastfamilie gebracht - Martha, ihr Mann und zwei Kinder. Sie sind alle sehr nett. Außer mir wohnen hier noch ein Mann aus Schottland, ein Junge aus London sowie einer aus Amerika und ein Mädchen aus Kalifornien, mit der ich mir das Zimmer teile. Alle sind sehr lieb, wenn auch um einiges jünger als ich - bis auf den aus Schottland, der ist schon über 40.
Als ich mein Zimmer gezeigt bekam, traute ich meinen Augen nicht: Da waren sie wieder - die Anden - direkt vor meinem Fenster und noch näher als beim Hotel. Sie nehmen die gesamte Fensterfront ein und jetzt, da es Nacht ist, schmiegen sich hunderte von kleinen Lichtern in die Täler. Es ist atemberaubend. Ich bin so ein Glückspilz!!! Morgen mache ich euch ein Foto!.

Nur wenige Minuten nachdem ich meine Gastmutter kennen gelernt hatte, fragten mich die Jungs, ob ich nicht Lust hätte sie zum Fussballspiel "Ecuador - Kolumbien" zu begleiten. Sie würden versuchen noch Tickets fürs Stadion zu bekommen. Da ich bisher noch nicht viel von der Stadt gesehen hatte, stimmte ich sofort zu und weg waren wir.

Leider gab es keine regulären Karten mehr, nur noch einige sehr teure Logenplätze für über 60 Dollar, deshalb fuhren wir mit dem Bus ins Zentrum, um ein Restaurant oder Cafe zu suchen, in dem wir das Spiel im Fernsehen gucken könnten. Es war ein schöner sonniger Tag und zu viert machte es wirklich viel Spaß herumzulaufen. Man fühlt sich auf diese Weise tatsächlich um einiges sicherer und kann einfach den Flair der Stadt genießen - besonders an diesem Tag. Überall aufgeregte Fussballfans, Indianer in Ponchos die Fähnchen, T-Shirts oder Sonnenbrillen feilboten und dann natürlich all die wunderschönen farbenfrohen Gebäude, die sich gegen den azurblauen Himmel abhoben.

Wir fanden ein nettes Restaurant mir mindestens 10 Fernsehern in unterschiedlichen Winkeln und während wir auf den Beginn des Spiels warteten, bestellten wir Cola und ein paar Platten mit unterschiedlichem Fingerfood und Sossen. Sehr lecker. :) Glücklicherweise gewann Ecuador. Das stimmt sie freundlich, hoffe ich.
Uns gegenüber saß eine Familie mit einem kleinen Jungen, von höchstens vier Jahren, der jedesmal in Tränen ausbrach, wenn die Mannschaft den Ball verlor oder das Tor verfehlte. Als sie dann tatsächlich das eine Mal trafen bekam er es zunächst gar nicht mit, tanzte dann aber durch den ganzen Raum. Das war sooo süß!

Mein erster Abend bei der Gastfamilie war sehr schön - wir bekamen eine leckere Suppe und redeten und redeten. Zum Glück bin ich nicht die einzige mit verbesserungsfähigem Spanisch - aber ich muss mich trotzdem anstrengen, weil ich leider nur sporadisch Dinge verstehe. Mir fehlen noch so viele Vokabeln...
Morgen habe ich meinen ersten Spanischkurs und werde danach eine Stadtführung mitmachen, um mal ein Gefühl dafür zu bekommen, was wo ist.

Hasta pronto,
eure Kiri

2 Kommentare:

  1. Das klingt alles so gut! Ich bin schon gespannt auf das Foto von Deiner Aussicht :)
    Aber was mich wirklich interessiert: Wie hast Du die beiden Kakerlaken genannt? Chipchipchipchip und Chap vielleicht? :)
    Hier regnet es und Sophia sägt energisch mit ihrer Spielzeugsäge an meinem Bein ("Hitschehatsche" - R geht noch nicht).
    Ich wünsche Dir eine tolle Zeit! LG Juli

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  2. Die Kakerlaken habe ich, inspiriert an den Meerschweinchen von Matz, "Wolle und Knolle" genannt. ^^
    Leider habe ich sie nach der ersten Zimmerreinigung nicht mehr gesehen...

    Hitscheatsche - wie süß!

    Hab dich lieb
    Kiri

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