Freitag, 31. August 2012

Unverhofft kommt oft...

Ich bin leider bisher nicht weiter als bis Buenos Aires, Argentinien gekommen.
Der Flug dorthin verlief ohne Probleme, auch wenn ich einige Stunden nagender Ungewissheit durchlitt, ob ich überhaupt berechtigt sei nach Australien einzureisen. Ich muss dort nämlich den Flughafen wechseln und sobald man dies tut, bzw. sich länger als acht Stunden im Land aufhört, braucht man ein Transitvisa. Das hatte ich natürlich nicht, weil ich es nicht wusste.
Als ich gegen vier Uhr an diesem Morgen endlich einchecken konnte, half mir ein netter Mann und beantragte das Visum innerhalb von nur fünf Minuten online. Ist das Internet nicht grossartig?

Seit halb neun würde ich nun eigentlich im Flugzeug nach Sydney sitzen...

... wenn ich nicht einfach so eine Stunde vor Boarding an meinem Gate das Bewusstsein verloren hätte.  Ich wachte erst im Krankenzimmer des Flughafens wieder auf und konnte mich zunächst an kaum etwas erinnern. Ein merkwürdiges Gefühl. Wahrscheinlich waren körperliche Erschöpfung und Schlafmangel (die letzten drei Wochen hatte ich nicht mehr richtig durchgeschlafen) die Ursache. Ich hatte auch nicht wirklich zu Abend gegessen. Trotzdem kam ich mir wie ein Schwächling vor, weil mir das passiert ist.

Zum Glück kann ich einen anderen Flug nehmen, allerdings geht dieser erst am Montagmorgen. Bis dahin sitze ich also noch hier in Buenos Aires fest. Aber ich habe ein sehr günstiges Hostel in Downtown gefunden, wo man unter anderem auch sehr billig essen kann. Somit werde ich hoffentlich nicht allzu viele Ausgaben haben. (Die Bank wollte mir nicht mehr als 300 Pesos - etwa 60 Dollar - geben, aber ich hoffe doch sehr, dass das nur ein Tageslimit ist und ich morgen an etwas mehr komme. Ansonsten muss ich wieder am Flughafen übernachten, was aber auch nicht tragisch wäre.)

Ich kann mich bisher jedenfalls nicht über Langeweise auf meiner Reise beschweren. :)

saludos
Kiri

Mittwoch, 29. August 2012

Chile - Im Reich der letzten Chinchillas


Nach einer etwas unruhigen Nacht in Santiago (in der ich von einem netten Chilenen zum Abendessen eingeladen worden war, der mich dann aber leider nicht mehr in Ruhe liess, so dass ich mich auf meinem Hotelzimmer verbarrikadieren und taub stellen musste) nahm ich am fruehen Morgen - um besagtem Chilenen zu entgehen - den Bus nach Illapel.

Dort hatte ich mich fuer Mittags mit Amy verabredet. Ich hatte mir zuvor schon ausgemalt, wie sie sein mochte und meine Vorstellung kam dem Original ziemlich nahe. Nur ein bestimmter Schlag Mensch zieht allein in eine Bergwueste, um dort unter harten Bedingungen eine bedrohte Tierart zu retten - und ganz nebenbei, wie ich erst jetzt erfuhr, auch noch seine drei Kinder alleine grosszuziehen sowie einen Teilzeitjob als Englischlehrerin auszuueben, um sich ueber Wasser zu halten.
Amy war mittelgross, trug alte Jeans und ein Kapuzenshirt, das etwas zu gross fuer sie war, hatte einen rastlosen Character und war sehr herzlich. Man bekam das Gefuehl sie wolle am liebsten alle Informationen auf einmal loswerden, denn sie sprang in einer Geschwindigkeit von Thema zu Thema, die mir Anfangs etwas zu schaffen machte, bis ich mich an ihren Akzent und die Art gewoehnt hatte. Dann aber fand ich sie einfach nur fantastisch. Ich hatte noch nie einen Menschen mit einer solchen Energie getroffen. Die braucht man wohl auch fuer dieses Projekt, denn wie ich spaeter noch erfahren sollte, kaempfte sie nicht nur um das Ueberleben der Chinchillas, sondern auch gegen die Dummheit der Menschen.
Zunaechst jedoch zeigte sie mir schnell den Supermarkt und half mir, meine Lebensmittel fuer die kommende Woche zusammenzustellen. Ich wuerde jedes Wochenende die Chance haben, in die Stadt zu trampen und sie aufzufrischen, daher musste ich mich zum Glueck nicht fuer die kompletten drei Wochen eindecken. Danach wurde ich mit meinen Fressalien in ein Taxi gesetzt und Amy verschwand mit einem kurzen Gruss wieder Richtung Schule. Gluecklicherweise arbeiteten zur Zeit noch drei andere Voluntaere in der kleinen Station in den Bergen, zu der auch ich nun gebracht wurde, denn Amy wuerde erst am Freitag zu uns stossen, weil sie mit ihren Kindern unter der Woche in der Stadt wohnte.

Die Landschaft war huegelich, staubig und sehr karg. Es reihte sich Kaktus an Kaktus und dazwischen standen duerre Buesche mit nur wenigen Blaettern. Wie konnte hier ueberhaupt etwas wachsen und leben? Mir wurde versichert, dass ausser den Chinchillas auch Pumas und Degus (eine Art Maus mit Pinselschwanz) hier beheimatet waren. Condore gaebe es ebenfalls und ich hoffte sehr, dass mir das Glueck hold sein und ich endlich einen zu Gesicht bekommen wuerde. Das erstreckte sich allerdings nicht auf die Pumas - zumindest nicht wenn ich alleine irgendwo herumstiefeln sollte. Vor Skorpionen, giftigen Spinnen und einem Kaefer namens "Vinchuca" musste man ebenfalls auf der Hut sein. Darwin wurde angeblich von letzterem gebissen und litt danach lebenslang unter dessen Auswirkungen. Nicht der Biss an sich ist gefaehrlich, sondern die Ausscheidungen, die der kleine Kerl auf der Haut hinterlaesst und die man durch achtloses Kratzen in die Wunde bringt. Die Krankheit "Chagas" bricht allerdings erst ein paar Jahre spaeter aus.



Das Reservat an sich bestand aus einer kleinen Holzhuette mit Stockbett und Gasherd, dem Spielhaus der Kinder, das aber zur Zeit von einem Helferpaerchen als Schlafstatt benutzt wurde und einem Erdloch ueber das eine Klobrille gelegt worden und welches auf einfache Weise von vier windschiefen Wellblechen umgeben war. Ein Dach hatte es nicht. Das ermoeglichte eine schoene Aussicht auf die Berge, waehrend man sein Geschaeft verrichtete und bei Nacht spannte sich der atemberaubender Suedamerikanische Sternenhimmel ueber den Hockenden. Nur in Galapagos war es mir einmal vergoennt, die Milchstrasse so klar zu sehen. Es fiel schwer, die Augen wieder abzuwenden, selbst wenn die kalten Temperaturen den Koerper in die Huette an den kleinen Gasofen zuruecktrieben.
Strom gab es hier natuerlich keinen.Wir hatten aber ein paar kleine Solarlampen, die wir ueber den Tag hinweg aufluden und einen Kerzenleuchter fuer warmes, kraeftigeres Licht.
Unsere Wasserzufuhr war durch einen duennen schwarzen Plastikschlauch gesichert, der von einem wenig vertrauensvoll aussehenden Schlammloch bis zu uns fuehrte. Im besagten Loch gediehen Algen praechtig, es tummelten sich kleine rote Wuermchen und natuerlich loeschten dort auch andere Tiere ihren Durst. Daher mussten wir das Wasser vorher filtern und anschliessend gut abkochen, bevor wir es fuer Zwecke gebrauchten, die mit der Nahrungsaufnahme zu tun hatten.
Kurz nachdem ich angekommen war, wies James in Richtung Spueltisch, zu dem der Schlauch momentan fuehrte (je nach Bedarf wurde er immer umgelegt) und sagte, ich solle mir ein Pferd und eine alte Socke nehmen, wenn ich Wasser holen wollte.
...
Ein Pferd? Musste ich zum Wasserloch reiten, um den Topf zu fuellen? Es kam doch dort direkt aus dem Schlauch! Und ueberhaupt gab es hier gar keinen Stall, geschweige denn einen Mustang. Und was sollte der Quatsch mit der alten Socke? Doch was Letzteres betraf, konnte kein Zweifel bestehen, denn James hielt sie mir bereits unter die Nase - eine vergilbte nasse alte Wollsocke mit Rippmuster.
Ich sah ihn kritisch an und wiederholte, nur um sicher zu gehen: "A horse?"
"Yes", meinte er daraufhin und deutete auf den Schlauch. "Take just this hose here."
Endlich fiel der Groschen. "Hose" (ausgesprochen: house) war offensichtlich die Englische Bezeichnung fuer "Schlauch". Ein Wort, das bis eben einfach noch nicht in meinem Wortschatz existiert hatte. Aber was ich mit der ollen Socke sollte, kapierte ich immer noch nicht.
Gluecklicherweise kam mir in diesem Moment Yvonna, seine Freundin zur Hilfe, die das nasse Ding kurzerhand um die Oeffnung des Schlauches wickelte und mir demonstrierte, wie ich das Wasser durch das Gewebe rinnen lassen sollte, um es zu filtern. Ich begann diesen Ort aufrichtig zu lieben, allein fuer seine kreative Art mit Alltagssituationen umzugehen!

Ausser den Voluntaeren lebten hier noch die drei zahmen Chinchillas Baby Jerry, Spinner und Spas, die Amy gehoerten, sowie Welpe Rolli, die uns alle auf Trab hielt, weil sie noch immer sehr verspielt war und schlecht auf Kommandos reagierte, wenn sie aufgedreht war. Dennoch liebten wir sie alle innig, auch wenn Rolli stehts im Weg lag oder stand, nicht glauben konnte, dass wir lieber arbeiteten, statt mit ihr zu spielen und der festen Ueberzeugung war, dass sowieso all das, was wir da veranstalteten nur zu ihrer Unterhaltung passierte.




Das Projekt "salve las Chinchillas" gibt es schon seit ueber 17 Jahren. Seitdem ist zumindest Amy mit von der Partie und ich glaube, erst als sie die Sache in Angriff nahm, passierte auch tatsaechlich etwas. Immerhin gibt es nun gut zehn verschiedene Regionen, die offiziell als Nationalpark unter Schutz stehen und in denen die letzten wildlebenden Langschwanz-Chinchillas hausen. Leider war sie vor zwei Jahren dazu gezwungen in die USA zurueckzukehren und uebergab derweil das Projekt an jemand anderen. Dieser Jemand wurde mit 2.000 Dollar dafuer bezahlt, dass er auf der Station leben und die Pflanzen bewachen konnte, die dort mit viel Muehe gezogen worden waren. Jedoch fand er es in der Stadt wohl angenehmer, benutzte das Reservat nur als Party-Location fuer Alkohol-Exzesse, verwuestete die ganze Anlage mit Bergen von Muell, liess zu, dass ein Ziegenfarmer sein Haus und Gehege mitten auf den kleinen Weg zur Anlage baute, die Zaeune zur Baumschule einriss, um seine Tiere dort alles abweiden zu lassen, einen Grossteil des Wassers fuer seine eigenen Zwecke abzweigte und schlussendlich gegen Schmiergeld noch immer regelmaessig Jaeger und Holzfaeller in das Schutzgebiet laesst. Ueber soviel Dummheit, bzw. so wenig Verstand konnte man doch nur den Kopf schuetteln.
Als Amy dann vor fuenf Monaten aus den Staaten zurueckkehrte, konnte sie gerade noch einmal ganz von vorne anfangen! Es muss ein Schock gewesen sein, als sie ihr liebevoll hochgezogenes Reservat in einem Zustand antraf, der fern von Gut und Boese lag. Dennoch fand sie wohl irgendwie die Kraft fuer einen Neustart - den Chinchillas zuliebe.


Nach ein paar Tagen reisten die anderen drei freiwilligen Helfer ab und ich war fuer die restliche Zeit alleine in der kleinen Holzhuette. Nur der Ziegenfarmer, mit dem wir aber logischerweise nicht auf gutem Huf standen, wohnte ein paar Kilometer entfernt - ansonsten niemand! Und Illapel lag gute 45 Autominuten entfernt.
Das war ein merkwuerdiges Gefuehl. So ganz ohne Kontaktmoeglichkeit zur Aussenwelt. An manchen Tagen war ich gluecklich ueber meine Freiheit, an anderen Tagen haette ich alles fuer ein wenig menschliche Gesellschaft gegeben. Besonders Nachts mit all den fremden Geraeuschen.
Hinzu kommt noch, dass man alleine laengst nicht so viel erledigt bekommt, wie zusammen mit anderen. Alles dauert viel laenger und man muss sich staendig selbst ermahnen und motivieren. Dennoch schaffte ich einiges: Ich verlegte meterweise Schlaeuche, um die einzelnen frisch geflanzten Setzlinge zu bewaessern, flickte Zaeune, reparierte Werkzeug, baute Stufen fuer die kleine Huette um bequemer ins Innere zu gelangen, sammelte Muell ein und begann zu guter Letzt, durch Zusammenharken von Steinen und Kieseln, einen riesigen Chinchilla auf dem Boden der Baumschule zu erstellen - natuerlich nur die Aussenlinien. Von der Idee her ganz aehnlich den Geoglyphen von Nazca (Atacama), nur im Negativ. Mit Amys Hilfe am Wochenende konnten wir dieses grosse Projekt auch tatsaechlich so gut wie beenden, bevor meine Zeit in Illapel zuende war. Es soll spaeter als Labyrinth dienen, um Besuchern die einzelnen Pflanzen auf spielerische Weise naeher zu bringen. Und da das Gelaende ein wenig abfiel, konnte man den Riesenchinchilla sogar ein wenig von der Strasse aus erkennen!
In meiner letzten Woche bereitete mir unser Wasserschlauch zudem grosse Sorgen. Am Sonntag, bevor Amy und die Kinder zurueck in die Stadt trampten, war der sonst recht kraeftige Strahl zu einem kleinen Rinnsal geschrumpft, das nur traurig heraustroepfelte. Also bat ich Amy mir zu zeigen, wo das Wasserloch lag und wie man das Problem beheben konnte. Wir stiefelten also alle durch die Huegel, duckten uns unter Gestraeuch hindurch, passierten meterhohe Kakteen, und schlitterten Abhaenge hinunter, bis wir endlich zur gesuchten Stelle kamen. Dort wurde mir gezeigt, wie ich mit einem Stock die Algen aus dem Wasser fischen sollte, die den Wasserfluss blockierten und die Filter-Plastikflasche zu reinigen hatte. Angeblich sollte es nach etwa einem Tag wieder funktionieren. Ich verabschiedete also die kleine Familie und wartete guter Hoffnung auf den naechsten Morgen.
Er kam und ging aber das Wasser blieb aus. Zeitweise kam nicht einmal mehr das kleine Rinnsal, was mich etwas verzweifelt in den Schlauch pusten und an selbigen saugen liess, um dem Druck etwas nachzuhelfen. Ich dachte lieber gar nicht erst an all das Zeug, das sich im Hohlraum befinden koennte. Ich war auf die verdammte Fluessigkeit schliesslich angewiesen. Und nicht nur ich. Der Hund, die Chinchillas und die Pflanzen ebenfalls. Wenn ich kochen wollte, musste ich mittlerweile mindestens eine Stunde vorher eine Schuessel unter den Schlauch stellen um die wenigen Tropfen zu sammeln. Und bis Donnerstag aenderte sich an meiner Situation wenig.
Obwohl Regenzeit war und zudem derzeit Winter auf diesem Teil der Erde, waren die letzten Tage wolkenlos, warm und sonnig gewesen. Ich schaetzte die Temperaturen auf 26 - 30 Grad, konnte herrlich frei im T-Shirt arbeiten und genoss die Hitze sehr. Doch fuer die zarten Saetzlinge war dieses Wetter gar nicht gut. Sie begannen sich braun zu verfaerben und ihre wenigen Blaettchen zu verlieren...
Aber dann rettete mich die Jahreszeit doch noch: Am Donnerstag Nachmittag fing es endlich an, wie aus Kuebeln zu schuetten. Das Unwetter hielt die ganze Nacht an und wusch meine Sorgen um die Pflanzen ebenfalls davon. Und am Freitagmittag funktionierte sogar unsere Wasserversorgung wieder!

Leider waren die drei Wochen viel zu schnell vorbei - gerade, als ich mich an all die Umstaende gewoehnt und zu Amy und ihren drei kleinen Maedchen eine enge Beziehung aufgebaut hatte. Ich wurde fast wie eine grosse Schwester behandelt, ganz als ob ich zur Familie gehoerte. Das tat so gut...

Und an meinem allerletzten Tag im Reservat ging sogar noch mein grosser Wunsch in Erfuellung. Ich sah meinen Condor!  Und nicht nur einen - insgesamt kreisten vier der riesigen Voegel so hoch ueber uns, dass sie schon wieder winzig erschienen. (Amy war zum Glueck auch da um meine Zweifel zu zerstreuen, es koenne sich um gewoehnliche Raubvoegel handeln. Sie ist Vogelexpertin, deshalb glaubte ich ihr natuerlich gerne und genoss den Anblick doppelt.)


Waehrend ich dies schreibe sitze ich bereits wieder in einer Herberge in Santiago (weil ich mich im Datum geirrt und einen Tag zu frueh abgereist bin) und werde morgen in meinen Flieger gen Neuseeland steigen, wo ich nach einer langen Anreise ueber Argentinien und Australien am 2. September endlich ankommen werde.

Hasta luego :)
Kira

Montag, 27. August 2012

Zanja Arajuna - zwei Wochen Regenwald


Nach einer weiteren Nacht in Quito, die ich zu meinem grossen Glueck bei meiner lieben Projektmanagerin Elli und ihrer Familie verbringen durfte, nahm ich gleich am naechsten Morgen den Bus nach Riobamba – dem Sitz der Organisation (Eco Volunteers) meines naechsten Projektes: 14 Tage Tierauffangstation im Regenwald in der Naehe von Puyo.
Ueber die Organisation selbst wuerde ich am liebsten den Mantel des Schweigens breiten, da ich nicht gerne laestere, es waere aber schade zu verschweigen, auf welche Weise man sein Geld zum Fester hinauswerfen kann. Meine Instruktionen lauteten, vom Busbahnhof aus das Buero aufzusuchen, in dem ich eine Mitarbeiterin antreffen wuerde, die mich zum Gasthaus der Organisation begleiten sollte, in dem ich die Nacht zum Montag verbringen konnte. Die Wegbeschreibung war recht vage und kombiniert mit meinem miesen Orientierungssinn passierte, was passieren musste: Ich verirrte mich komplett. Zwar kam ich auf meiner Odysee an einem kleinen Geschaeft vorbei, dessen Schild „Eco Volunteers" verkuendete, jedoch war es ohne Zweifel geschlossen, weil ein grosser Rolladen die gesamte Vorderfront verdeckte. Also nahm ich ein Taxi und lies mich zur genannten Adresse fahren.
Ironischerweise setzte es mich genau dort ab, wo ich zuvor gezweifelt hatte: dem kleinen geschlossenen Geschaeft. Ich rief also bei der Managerin an und erzaehlte von dem Irrtum. „Oh, das habe ich wohl vergessen Ihnen zu schreiben", meinte sie daraufhin nur und fing an mir die Adresse des Gasthauses zu diktieren, zu dem ich mich stattdessen fahren lassen solle. Ich hasse das Englische Alphabeth! Ich kann mir nie den Unterschied zwischen der Betonung von A, E und I sowie U und V merken und kam heftig in Verlegenheit. Noch dazu stand ich an einer viel befahrenen Strasse und verstand die gute Frau akustisch nur sporadisch. Irgendwann hatte ich jedoch die Information einigermassen zu Papier gebracht (bis auf die Hausnummer, von der mir versichert wurde, ich braeuchte sie nicht, weil ich an der Strasse abgeholt wuerde) und fand nach einiger Zeit sogar ein freies Taxi. Dort gab es das naechste Problem: Die genannte Adresse existierte zweimal – einmal im Norden und einmal im Sueden. Bisher schien wohl niemand ein Problem damit gehabt zu haben, sonst haette man das am Rande ja hinzufuegen koennen. Mir blieb also nichts anderes uebrig, als die Dame ein weiteres Mal zu kontaktieren. Ich gab ihr lieber gleich den Taxifahrer, um weitere Missverstaendnisse oder Uebertragungsfehler durch meine Person auszuschliessen. Ich wurde also zur genannten Strasse gebracht und abgesetzt. Weit und breit natuerlich niemand, der mich abholen kam. Ich wartete etwa 15 Minuten und rief dann den Leiter direkt an, der mich hier in Empfang haette nehmen sollen. Ich haette noch lange warten koennen, denn er beschwerte sich bei mir, ich haette ihn geweckt und warum zum Teufel ich nicht direkt zum Haus gekommen waere. Ich versuchte es ihm hoeflich zu erklaeren, doch er war sehr ungeduldig und sagte nur, ich solle zu der Ecke kommen, wo sich zwei bestimmte Strassen kreuzten. Nur doof, dass nirgendwo Strassennamen angebracht waren! Ich lief also ein bisschen die Strasse entlang, sah aber nichts. Da rief mich der Leiter wieder an und fragte wo zur Hoelle ich bliebe. Ich solle mich gefaelligst umdrehen und die Strasse runterlaufen. „In welche Richtung hinunter?", wagte ich zu fragen, beschrieb ihm einige Anhaltspunkte und bekam prompt die erwartete uebelgelaunte Antwort: „Umdrehen, du sollst dich umdrehen!" Ich drehte mich um meine eigene Achse und spaehte in alle Himmelsrichtungen und dann, ein paar Meter entfernt schien ein Mann an der Mauer zu lehnen und mir zuzuwinken. Da dies die einzige Moeglichkeit war, die ich momentan hatte, ging ich auf ihn zu und tatsaechlich, er war es. Mit einer baerbeissigen Mine begruesste er mich knapp und dass er nicht fragte, aus welcher Anstalt ich entlaufen war, war noch das freundlichste was ich zu hoeren bekam. Ich fragte ihn, warum niemand im Buero gewesen sei, wo ich doch gestern erst gefragt hatte, wohin ich kommen solle.
„Weißt du, an Sonntagen arbeiten wir in der Regel nicht so gern", erklaerte er mir mit Sendung-mit-der Maus-Stimme.
„Aha, und warum hat man mir dann nicht gleich die Adresse des Gasthauses gegeben?"
„Dafuer bin ich nicht zustaendig." War die knappe Antwort.
Ich fragte mich wofuer er ueberhaupt zustaendig war…
Immerhin zeigte er mir einen kleinen Eck-Kiosk in dem ich Essen kaufen konnte und wo ich die Haustuerschluessel finden konnten. Dann wies er mich in mein Zimmer und sagte: „Bis morgen, ich gehe schlafen." Ich linste auf meine Armbanduhr; es war gerade mal zwei Uhr Nachmittags. Ich wurde also mir selbst ueberlassen und verbrachte den Tag Chips essend und im Internet surfend (etwas anderes Essbares gab es in dem Kiosk nicht wirklich, jedenfalls nichts, was keiner Zubereitung bedurft haette, denn die Kueche war durch ein Babygitter abgetrennt und wurde von zwei rattengrossen Hunden bewacht, die mich nicht zu moegen schienen und jedes Mal, wenn ich vorbeizugehen wagte, ein Klaeffkonzert veranstalteten, was meinen armen Leiter bestimmt nicht gut schlafen liess. Daher ging ich ein bisschen oefter als notwendig dort vorbei...


Das Gasthaus war uebrigens vielmehr das Privathaus des Leiters und dessen hochschwangerer Frau. Ueberall standen die scheusslichsten Staubfaenger in einer Fuelle auf Kommoden und Tischen, die in normalen oeffentlichen Schlafplaetzen (gluecklicherweise) nur geizig platziert werden.
Irgendwann wurde es Abend und Hester, eine andere Voluntaerin wurde, auf aehnliche Weise abgefertigt, zu mir ins Zimmer gesteckt. Nun konnten wir den Aufenthalt zumindest in voller Ironie geniessen. Sie stammte aus England und hatte einen koestlichen Humor, der sehr gut mit meinen harmonierte.

Der naechste Morgen verlief aehnlich irritierend. Wir wurden gebeten um acht Uhr aufzustehen. Also machten wir uns fertig und gingen in den Wohnraum hinunter, wo beide schon damit beschaeftigt waren, Schlafsaecke, Zelte und andere Campingausruestung zusammenzustellen. Wir sahen uns an. Wir schauten auf die Ausruestung. Wir sahen uns wieder an und konnten einen Ausdruck des Terrors nicht von unseren Gesichtern loeschen.
Sollten wir etwa zwei Wochen im Regenwald zelten? Und der viele Regen? Und die ganzen Insekten? Und die (vielleicht) dort lebenden Raubtiere?
Ich habe ja nichts gegen das Zelten. Ich liebe es sogar. Die Unannehmlichkeiten machen mir normalerweise nichts aus, aber nun mal nicht in jeder Gegend! Ausserdem war uns in der kaerglichen Beschreibung etwas ganz anderes versprochen worden… Wir versuchten also mit unserem Schicksal fertig zu werden, wuenschten einen guten Morgen und fragten, ob wir helfen koennten. „Na, eure Rucksaecke holen", war unser Morgengruss, der uns zurueck in unser Zimmer trieb. Wir halfen, auch die restliche Ausruestung ins Auto zu laden und fuhren dann gemeinsam zum uns schon bekannten Buero. Hester hatte zum Glueck die gleiche Geschichte mit der falschen Adresse durchgemacht, so dass ich mich nicht mehr allzu doof fuehlte. Jedoch noch immer doof genug, dafuer sorgte ja staendig unser liebenswerter Leiter.
Im Buero angekommen trafen wir auf die Managerin, die ich ja schon aus den Mails und Telefongespraechen kannte. Und mit einem Mal war der Leiter wie ausgewechselt: Unsagbar hoeflich und freundlich und er laechelte uns sogar an. Wir verstanden die Welt nicht mehr.
Nach ein paar weiteren Instruktionen bezueglich dem Aufenthalt dort, der Verpflegung die wir selbst zu besorgen und zuzubereiten haetten und dem Ausfuellen des Formulars, dass falls wir stuerben, das nur unsere Schuld sei, wurden noch die 200,- Dollar Gebuehr fuer zwei Wochen gefordert (von denen nur 60,- Dollar das tatsaechliche Projekt erreichen) und wir zum Busbahnhof gebracht.
Endlich verliessen wir Riobamba, die furchtbare Organisation und wuerden hoffentlich in Puyo eine etwas freundlichere Umgebung antreffen. Dort wuerden wir abgeholt, wurde uns mal wieder versichert, was wir diesmal aber nicht unter Vorbehalt glauben wollten.
Doch diesmal stimmte es tatsaechlich. Dank eines unglaublichen Aufwandes des Bueros (der die 140,- Dollar einbehaltener Gebuehr wahrlich rechtfertigte) war es ihnen wohl gelungen, einen Telefonhoerer in die Hand zu nehmen, in Puyo anzurufen und Balu abzukommandieren, uns am Nachmittag am Busbahnhof zu erwarten. Die Leute in Puyo schienen auf alle Faelle schon einmal zuverlaessiger zu sein, was ich sehr beruhigend fand.
Balu ist der Ehemann von Luciero, der Leiterin vor Ort und Vater des gemeinsamen Sohnes David. Diese kleine Familie lebt in der Abgeschiedenheit des Regenwaldes und versorgt die dort gehaltenen Tiere, die entweder nicht mehr alleine in freier Wildbahn ueberleben koennten, oder in die Hoffnungen zwecks Zuechtung und Auswilderung gesetzt werden.


Bevor wir jedoch dorthin chauffiert wurden, setzte uns Balu noch kurz beim Supermarkt ab, wo wir uns mit Lebensmitteln fuer die kommenden Wochen eindecken konnten. Unsere Einkaeufe bestanden hauptsaechlich aus Cornflakes, Toast, Pasta und Tomaten. Ich war noch nie eine gute Koechin, warum also jetzt gerade damit anfangen – noch dazu unter erschwerten Bedingungen? Hester ging es uebrigens nicht anders, daher hatten wir auch beschlossen unsere Einkaeufe zusammenzulegen um nicht alles doppelt mitzuschleppen.
Wir luden alle Kisten ins Auto und nach etwas 45 Minuten holperiger Fahrt durch zunaechst noch kleine Wohnsidlungen, dann einzelne Wellblechhuetten und zuletzt Regenwald, erreichten wir ein kleines Holzhaeuschen mit Veranda, das schuechtern zwischen einigen Baeumen hervorlugte und an dem ein Schild den Namen des Projektes „Zanja Arajuno" verkuendete. 



Fuer ein angemessenes Empfangskommitee war ebenfalls gesorgt: Ueber uns turnten mindestens zwanzig kleine Totenkopfaeffchen in den Zweigen herum, kreischten uns ihre unverstaendlichen Willkommensgruesse zu und spaehten abschaetzend auf uns herab. Auf der Veranda erwarteten uns etwas wuerdevoller zwei zahme Papageien, Loca und Abuelo. (Letzteren tauften wir selbst so, weil wir uns den richtigen Namen nicht merken konnten und er wie ein grummeliger alter Grossvater die Aeffchen anfauchte, wenn sie zu frech wurden, aber niemals erste Absichten hegte, sie zu verletzen)
Von diesem ersten, paradiesischem Eindruck voellig hingerissen, betraten wir die Huette und wurden zuletzt noch von sechs maennlichen Exemplaren der Gattung Homo sapiens sapiens voluntarius knapp begruesst; Darunter ein etwa gleichaltriger Junge aus Tschechien und fuenf Schueler aus Quito.

Natuerlich war ich scharf darauf die anderen Tiere zu sehen. Diese Gelegenheit ergab sich bereits wenige Stunden spaeter, nachdem wir unsere Lebensmittel verstaut und unser Zimmer bezogen hatten. Die Tiere werden zwei Mal taeglich gefuettert: Morgens um acht und Mittags um vier. Diese mittaegliche Fuetterung stand nun an. Um den Bewohnern der Gehege einen regelmaessigen Tagesablauf zu verschaffen, verlaufen sie auch immer nach der gleichen Struktur.


Zunaechst werden die Totenkopfaeffchen zufrieden gestellt, da sie uns sonst ueberall hin folgen und den anderen Tieren ihre Mahlzeit streitig machen wuerden. Dazu verschanzen wir uns zunaechst in der kleinen Huette, die als Lagerstatt fuer die Bananen- und Maisvorraete dient. (Praktischerweise leben hier alle Tiere von diesen zwei Nahrungsmitteln - und ich kam mir mit meinen 5 kg Pasta im Schrank nicht mehr ganz so einseitig vor) Dort schaelten wir insgesamt sechs Bananen und stuerzten uns dann nach einem kurzen "fertig?"-Blickkontakt ins Getuemmel. Augenblicklich hatte man das Gefuehl, in einen ausserordentlich starken Platzregen gekommen zu sein, mit dem Unterschied, dass einem keine schweren Wassertropfen, sondern Aeffchen auf Kopf, Schultern und manchmal auch ins Gesicht klatschten. Sie waren derart gierig auf die Bananen, dass sie fast die Finger mitabbissen, wenn man das Obst nicht schnell genug in kleine Stuecke zerbrach und hinhielt. Am forderndsten war "Jeffe" (Chef), der Leitaffe. Groesser und staerker als die anderen, forderte er auch dreimal so viel wie diese. Ich haette nicht geglaubt, dass diese niedlichen Kreaturen zu einem fiesen Gesichtsausdruck faehig waeren. Jeffe meisterte ihn allerdings mit Proffession und sah sein Recht somit auch stets erfuellt, weil er somit ebenfalls im Stande zu sein schien, seine Drohung wahr zu machen und sich zu holen was ihm zustand -  notfalls mit Gewalt!
Einige werden an dieser Stelle lachen. Was koenne einem ein winziges Aeffchen schon antun? Nun, ich machte einmal den Fehler, Jeffe vom Eingang des Futterhauses zu vertreiben und erhielt daraufhin einen gezielt kraeftigen Warnbiss in meine linke Schulter, der erst drei Wochen spaeter verschwunden war.

https://www.facebook.com/photo.php?v=272330812879328 <= das ist ein Video von mir bei der Fütterung, das ich auf Facebook hochgeladen habe. Wer dort mit mir befreundet ist, kann es sich anschauen.
 

Wenn man den Affenschauer ueberlebt hatte, ging es weiter mit den Papageien. Davon gab es neben Loca und Abuelo noch drei weitere gruene Exemplare, sowie Albertito und Patrizio. Albertito war klein, zahm und musste nur deshalb in einem Kaefig sitzen, weil die Aeffchen ihm sonst stark zusetzen wuerden. Er trug noch immer die Spuren vergangener Konfrontationen, als sie sich einen Spass daraus machten, ihm die Federn auszureissen. Albertito hatte die niedliche Eigenschaft zur Begruessung die verbliebenen Schwanzfedern in die Luft zu strecken und zu balzen, sobald man mit ihm sprach. Am liebsten sass er auf den Schultern der Voluntaere und war nur dann in den Kaefig zurueckzubekommen, wenn die Affen mal wieder anrueckten.



 


Von Patrizio, dem alten fluegellahmen Ara dagegen koennte man meinen, er wuesste sich zu wehren, da er von missgelaunter Natur und beinahe zehnmal so gross war wie Albertito. Es ist ein Vogel mit tragischer Vergangenheit: Er und seine Gefaehrtin - damals noch in Freiheit - wurden mit ein paar gut gezielten Schuessen von Jaegern vom Himmel geholt. Die Kugeln durchloecherten Patrizios Brust, seinen Fluegel und toeteten seine Gefaehrtin. Wie durch ein Wunder blieb er jedoch am Leben, auch wenn er seither watschelnd und kletternd statt Fluegel schwingend sein neues Revier behaupten muss. Ferner bedeutet fuer ihn "hola" (zu Deutsch "hallo") dass es etwas zu essen gibt. Wenn er Menschen erspaehte, warf er also erstmal ein fragendes "hola" in den Raum, bevor er sich die Muehe machte und von seinem Baum herunterkletterte. Wurde es mit einem "hola" beantwortet, machte er sich jedoch unverzueglich auf den Abstieg.
Gelegentlich stiftete das natuerlich Verwirrung, wenn zum Beispiel Touristen die Anlage besichtigten und mit ihm redeten, ohne Bananen dabei zu haben.
Doch auch ihm machten die Aeffchen das Papageienleben schwer, sie schienen keinen Respekt vor seinem kraeftigen Schnabel und grantigem Charakter zu haben und stahlen ihm seine Ration regelmaessig direkt aus den Krallen.
(Wiederstrebend liessen sich die kleinen Kerlchen aber manchmal mit Maiskoernern ablenken, auf denen sie dann etwas trotzig herumkauten. Auch wenn sie manchmal biestig erschienen, so war es doch entzueckend, wenn einem eine winzige Affenhand das Korn aus den Fingern klaubte oder sich einem duerre Aermchen flehend nach mehr entgegenstreckten.)



Nach den Papageien waren die Icuantusse an der Reihe. (Fragt mich bitte nicht, was die deutsche Bezeichnung ist. Ich bin mir nichtmal sicher, ob die Spanische Schreibweise richtig ist. Wenn ihr dieses Tier also nicht bei Google findet, ist das meine Schuld.) Man bekommt aber ein recht gutes Bild, wenn man sich eine Mischung aus Biber und Ratte vorstellt und den Schwanz (gleich welchen) wegdenkt. Ehrlich gesagt, fand ich sie im Vergleich zu den anderen Tieren etwas langweilig, was wohl auch meine mangelden Bemuehungen bezueglich genauerer Recherchen ueber deren korrekten Namen erklaert. Die meiste Zeit verkrochen sie sich in ihren Roehren oder Hoehlen. Zur Verteidigung des Icuantus sollte ich jedoch auch hinzufuegen, dass es in ihrem Kaefig reichlich wenig andere Moeglichkeiten gab, sich die Stunden bis zur naechsten Mahlzeit totzuschlagen... (Ich konnte dasselbe zuhause an unseren Meerschweinchen beobachten. Oder eben nicht beobachten, da es nichts zu sehen gab, falls man ihnen vorher nichts Interessantes zu Fressen hineingeworfen hatte, um das sie sich dann haetten streiten koennen.)
Wenn die Icuantusse sich mit ihrer Beute zurueck in die Sicherheit ihres Unterschlupfs begeben hatten, ging es - nach einem kurzen Halt bei Abuelo (der ebenfalls nicht fliegen konnte, da er von seinem Vorbesitzer in einem Kaefig gehalten wurde, der nur wenig groesser war als das arme Tier selbst) ging es im zweiten Bereich der Tierauffangstation weiter. Der erste lag direkt an der unbefestigten Strasse, um unsere Huette herum. Der andere befand sich auf der anderen Strassenseite. Kleine Pfade fuehrten durch den dichten Wald einen Hang hinauf, wo eine weitere Huette mit Betten fuer Voluntaere stand und ebenfalls umgeben von Kaefigen und Gehegen. Davon befanden sich zwei grosse noch im Bau.
In einen dieser grossen Kaefige soll spaeter mal Anastasia, eine Art Marder oder Iltis umgesiedelt werden. Sie war eine unserer naechsten Kundinnen, doch bevor wir oben ankamen, mussten wir durch den Waldabschnitt, in dem die Chirongos lebten...


Das waren recht grosse Affen, bereits auf dem guten Wege der vollstaendigen Auswilderung. Auf ihre taegliche Banane konnten sie jedoch noch nicht verzichten. Bei ihnen musste man sehr auf der Hut sein, denn das Leittier "Simon" war erst zum zweiten Mal Vater und sehr darauf bedacht, seine Jungen zu schuetzen. Luciero hatte er einmal ins Auge gebissen, als eins seiner Kinder anfing zu schreien, weil eine Voluntaerin ihm zu nahe gekommen war. Die Narbe hat sie noch heute.
Seit wir diese Geschichte erzaehlt bekamen, empfanden wir gesunden Respekt und versuchten ihnen, wenn moeglich, aus dem Wege zu gehen, was uns leider nicht immer gelang. Wir hatten mehrere hautnahe Erfahrungen mit Simon und seiner Familie, auf die wir lieber verzichtet haetten. Einmal kam er uns aufrecht gehend entgegen und liess uns komplett den Eimer mit den Bananen auf dem Weg vergessen, aus dem er sich dann selbst bediente, waehrend wir uns hinter einigen Bueschen verschanzten. Auf zwei Beinen ging er uns locker bis zum Bauch und mit all den Muskeln und seinem kraeftigen Gebiss wollten wir lieber keine Bekanntschaft machen.
Der Weg zum zweiten Haus war also immer mit einigen Adrenalinschueben verbunden, sobald wir die Chirongos ueber uns durch die Baeume brechen hoerten.
Endlich oben angekommen, warteten nur noch ein Wildschwein, eine mir unbekannte Art Grossnager namens Amelia und Anastasia auf ihr Futter. Ausserdem gab es noch einige Schildkroeten und zwei Kaimane in einem kleinen umzaeunten See, die aber nur einmal in der Woche Bananenabfaelle bekamen.




Morgens wurden ausserdem noch die Kaefige gereinigt. Bei den "unteren" Tieren kein Problem! Aber Anastasia musste dazu jedes Mal in eine kleinere Box umgesiedelt werden. Fuer gewoehnlich half uns Luciero dabei, die sie von klein auf kannte, aber nach einer Woche feuhlte ich mich so weit, es auch einmal zu versuchen. Immerhin wollten wir ihr Arbeit abnehmen, so dass sie die Zeit anderweitig nutzen konnte.
Um Anastasia einzufangen, packt man sie wie ein Kaninchen hinter den Ohren. Was ich aber nicht wusste war, dass man sie dabei wie ein Loewenjunges baumeln lassen muss und nicht mit der anderen Hand helfen darf ihr Gewicht zu tragen. Sonst passiert naemlich, was mir passierte:
Beim ersten Mal, vielleicht wegen Lucieros beruhigender Gegenwart, hatte ich Glueck und alles ging gut, aber als ich den Marder spaeter zuruecksetzen wollte, schaffte er es irgendwie, sich um meinen rechten Unterarm zu winden, sich festzukrallen und mir kraeftig in den Zeigefinger zu beissen. Fuer einige schreckliche Sekunden sah ich meine Fingerkuppe schon in ihrem Magen enden, denn diese Biester haben wahrhaft spitze Zaehne und erstaunlich kraeftige Kiefer! Erst vor ein paar Tagen hatten wir ihr einen lebendigen Fisch in einer Plastikflasche serviert, um ihr das Jagen wieder anzutrainieren, was sie zweifellos in diesem Moment auch an mir erfolgreich praktizierte. Mit einem gezielten Biss begleitet von einem scheusslichen Krachen und Knirschen hatte sie den Fisch ohne Weiteres halbiert. Ein Schicksal, dass mein Finger - wenn moeglich, nicht unbedingt teilen sollte! Sie hatte gerade hinter meinem Nagel eine vielversprechende Stelle gefunden, als ich es gluecklicherweise schaffte, sie mit der Gewalt der Panik davon abzuziehen, wobei ich zwar einige Haut einbuesste, aber den Finger behielt, der mir doch recht ans Herz gewachsen war.


Waehrend ich noch meine linke Hand inspizierte und bis auf ein Dutzend langer Kratzer und der Bisswunde nichts Ernsthaftes feststellen konnte, vergass ich fuer einen Augenblick, dass sich der Marder noch im Griff meiner rechten Hand wand, es schaffte, sich auch um diesen Arm zu klammern und das Gleiche gerade noch einmal passierte. Diesmal war ich zum Glueck beireits am Kaefig angekommen, schleuderte das bissige Tier ohne grosse Ruecksicht auf eine sanfte Landung in die Gehegemitte und schlug ihr die Tuer vor der Nase zu!
Dann hatte ich endlich genug Ruhe, um mich am Anblick der erhaltenen Wunden zu weiden. Sie bluteten enttaeuschend wenig, dafuer, dass sie brannten wie Teufel und sich mein linker Zeigefingernagel bereits blau zu verfaerben begann. Es war nicht wirklich ein traumatisches Ereignis gewesen, dennoch sah ich dankend von weiteren Versuchen ab.
Ein Gutes hatten meine Kriegsverletzungen immerhin: Sie dienten als abschreckendes Lehrmaterial. Denn zwei Tage spaeter kam eine grosse Gruppe Grundschueler und Luciero veranschaulichte ihnen anhand meiner geschundenen Arme sachlich, zu was ein Marder faehig sei, wenn man nicht vorsichtig war. Trotz den grossen Augen der Kinder kam ich mir dabei allerdings eher vor wie ein Schueler, der im Unterricht nicht richtig aufgepasst hatte und nun an der Tafel gescholten wird.



Ausser der Fuetterung und dem Reinigen der Kaefige hatten wir natuerlich noch andere Moeglichkeiten uns nuetzlich zu machen: Die Instandsetzung der kleinen Pfade, von denen Teile regelmaessig weggeschwemmt wurden, das Bauen und Konstruieren neuer Gehege und Schutzhaeuschen, das Bemalen neuer Holzbretter zur Ausschilderung der Anlage, das Reparieren von Umzaeunungen und das Auffaedeln alter Plastikflaschen auf lange Kabel, die zu den Waenden des Komposthauses umfunktioniert wurden - lassen Gerueche raus aber keine grossen Tiere rein...
Es gab auch einen breiten, langen Fluss, der ganz in unserer Naehe sogar einen steinigen Strand bildete und wo man gut baden konnte. Eine Wohltat in der manchmal drueckenden, feuchten Luft des Regenwaldes.
Am Samstag fuhren wir immer mit dem Bus nach Puyo, um Lebensmittel einzukaufen und im Internet zu surfen.
Die zwei Wochen gingen dank all der Tiere rasend schnell vorbei. An meinem letzten Tag kehrte ich nach Puyo zurueck und nahm von dort aus dem Bus nach Quito. Am naechsten Tag wuerde ich nach Santiago de Chile fliegen und dort mein naechstes Projekt in Angriff nehmen: Drei Wochen Chinchilla-Nationalpark in Illapel. :)




Hasta pronto
Kiri